Perspektiven eines Kultur:wechsels

von Wolfgang Bay

Impulse zum Nachdenken

Vor einigen Jahren kam in die Frage nach einer Leitkultur für unsere Zivilgesellschaft auf. Es wurde nie ganz zu Ende diskutiert, ob man eine solche braucht und wie sie aussehen könnte. - Geschweige denn, wer diese Leitkultur auf welchem Weg festlegen und wie umsetzen würde. - Populistische Parteien machen sich derzeit dieses von manchen empfundene Vakuum zunutze mit plumpen Versprechungen und aggressiven  andere ausgrenzenden Äußerungen. - Auch für unsere Kirche und einzelne Gemeinden wird immer nach der richtigen Umgangsform und Zielsetzung gefragt. - Dabei ist "Kirche in Begegnung" für viele derzeit ein leitender Begriff der mit Leben gefüllt werden will.

Grundlegend zum Begriff "Kultur" (siehe: Wikipedia): Kultur hängt mit „Bearbeitung, Pflege und auch dem Bild vom Ackerbau“ zusammen und steht weiter für alles vom Menschen Geschaffene und Gestaltete. Sie umfasst einen räumlich und zeitlich begrenzten Ausschnitt unseres Lebens. - Sie beinhaltet Essen(-sregeln), Verhalten(-formen), Sprache, Medien(-gestaltung), Kleidungs(-vorschriften), Rollen-, Generationen- und Geschlechter-  Verhalten. Daraus ergibt sich eine auf ihre Zeit bedingte Kultur ihres Kontextes. - Anders ausgedrückt: Kultur ist einem fortlaufenden Wandel unterzogen! - In unserer global vernetzten Welt kommt es dabei vor Ort und bei Reisen etc. zu interkulturellen Begegnungen welche herausfordern, hinterfragen, bereichern... können. Es ist spannend andere Kulturen kennen zu lernen und lohnt sich deren Wertesystem wahr- zu- nehmen auch wenn immer wieder neu herausfordert lern . - Niemand hat die ganze Wahrheit gepachtet und jede Kultur ist immer auch einem gewissen Wandel unterworfen. Jede Zeit und menschliche Gruppe lebt bewusst oder unbewusst in ihrer eigenen Kultur. - Sie ist mehr oder weniger gemeinsam überlegt oder beschlossen. Sie umfasst Wertvorstellungen, erlernte Verhaltensweisen  und Werten die einer Gruppe wichtig sind.  - Auch Kirchen - Gemeinden haben eine gewisse kulturelle Prägung je nach sozialer Herkunft, Alter, musikalischen und vielen anderen (Grund-) Interessen. Für Varianten innerhalb einer Kultur - Gruppe wird häufig die Bezeichnung Subkulturen verwendet. Diese kennzeichnen dann unterschiedliche Kulturelle Ausprägungen einer viele gemeinsam leitenden Kultur. Kulturelle Gepflogenheiten kennzeichnen nicht nur bestimmte Gruppe - sie unterscheiden auch von anderen Gruppen und führen nicht selten zu kulturellen Diskussionen und Auseinandersetzungen. Dies beginnt bei verschiedenen Interessen der Generationen in der Familie und führt über die Gesellschaft und Nation bis hin zu politischen Blöcken die jeweils gemeinsame Kulturen vereinen. - Dies wird sehr häufig mit politisch - ideologischen oder religiösen Idealen vermengt was Konfliktlösungen sehr schwierig machen kann. - Ein ausgeprägtes Beispiel dafür ist der Nahostkonflikt und die darunter liegenden kulturellen, religiösen und politischen Vorstellungen.

Kulturen verändern sich, weil sie (zu Recht) immer wieder hinterfragt, verändert und weiter entwickelt werden müssen.  - Wissenschaftliche Erkenntnisse, gesellschaftliche (Weiter-)entwicklungen und politische Veränderungen beeinflussen unsere Kultur. - Auch unsere Christliche Kultur muss darauf reagieren und versuchen diese Veränderungen mit zu gestalten. - Begegnungen von Menschen anderer Herkunft, Generationen und Nationen bringen ihre eigenen ihnen wichtigen Regeln und Verhaltensweisen mit.

Schon in der Bibel wird Kultur umschrieben mit Begriffen wie "Geist der Welt" dies oft im Gegensatz zu Gottes Geist gesetzt. - Oder in konkreten Auseinandersetzungen in der Apostelgeschichte zum Beispiel (wie Paulus in Athen mit seiner Rede auf dem Areopag). - Nachdenk - Impulse: Wie steht es mit meinem Wunsch regelmäßig weiter zu lernen? Will ich (nur) in meiner sich selbst bestätigenden Meinungs- und Kultur - Blase bleiben?

Bin ich bereit meine Grundhaltung und Kultur zu hinterfragen und ändern zu lassen?

Will ich anderen / Fremden (ohne Angst) und mit Interesse und Offenheit begegnen? Sie wahr - nehmen und Ihnen Ihren Glauben glauben? - Was bedeutet die Aussage für mich: Nicht meine eigene Position ist die einzig Richtige und Wahre! - (Wie kann und) will ich meine Position hinterfragen lernen? - Im Sinn von Paulus: "Nicht, dass ich es schon ergriffen hätte - ich jage ihm aber nach!" - Oder wenn es heißt, dass wir heute nur bruchstückhaft wie durch einen Spiegel hindurch erkenne und wissen was die Realität ist - Könnte Paulus damit gemeint haben: Ich lerne weiter und versuche im Glauben zu wachsen und in der Liebesbeziehung zu Jesus Christus und anderen Menschen! - Jesus Christus scheint durch die Vielzahl an Kulturen und Menschen fragmetarisch durch.  -

Jesus will von uns entdeckt werden in interkulturellen und interreligiösen Begegnungen.

Dies ist ein Kultur:wechsel bei welchem unsere Mission - unser Auftrag von Christus her - als Einzelne und als Gemeinschaft - wieder neu definiert werden muss für unsere Zeit.

Wie definiere ich für mich Mission = Sendung und Beauftragung durch Jesus Christus? Konkret: Zu wem bin ich heute gesandt mit welchem Aufrag? - Offene Ohren, Augen und Herzen sind dabei gefragt die lernen andere vorbehaltlos kennen zu lernen.

Wir können mit einem Liebesblick auf andere leben und handeln lernen! - Unser Auftrag ist es nach Matthäus 28, 18 ff andere zu Mitlernenden zu machen. - Wir alle gehen (hoffentlich) noch zur Schule jenes Lehrmeisters der von manchen auch Rabbi genannt wird: Jesus Christus. - Er baut selber Seine Gemeinde und wir sollen Leuten dort begegnen und sie abholen wo und wie wir gerade sind. - Es geht zunächst um Jesus und Seine Liebe zu uns und anderen Menschen. - Wenn Jesus Christus die einzig richtige Wahrheit ist, wovon wir im Glauben ausgehen, dann gilt es auch anzuerkennen, dass wir diese und ihn selber nie ganz besitzen können. Wir sollen vielmehr mehr und mehr sein Besitz werden wie es in manchen Lieder ausgedrückt wird: Mehr und mehr deine Liebe...

 

Wie sieht unsere gemeinsame "Kultur Jesu Christi" heute in einer vielseitigen Welt aus? - Es ist ein aktiver vielstimmiger Chor an Theologie, Spiritualität und Kontexten geworden.

Wir leben und profitieren alle von weltweiter Migration und Begegnung die uns bereichert und an manchen Stellen auch herausfordert. - Dabei können und sollen wir anderen unseren Glauben bezeugen und nicht versuchen als Menschen selber zu überzeugen! - Menschen sollen Jünger Jesu werden und nicht von uns oder anderen großen Lehrern oder Lehren. - Die Überzeugungsarbeit das macht Gott selbst! - Gott selber teilt sich durch Seinen Heiligen Geist Selber anderen dann durch uns mit! In der Nachfolge bzw. Jüngerschaft Jesus Christi sind wir als "Gefährten des Weges" gefragt auf das Wirken von Gottes Geist heute immer mehr vertrauen zu lernen. Wir sind Teil des Leibes Christi!

 

Ein wegweisendes Papier wurde vom Ökumenischen Rat der Kirchen, dem Päpstlicher Rat für den Interreligiösen Dialog und der Weltweite Evangelische Allianz verfasst:

LINK ZUM POSITIONSPAPIER

"Das christliche Zeugnis in einer multireligiösen Welt - Empfehlungen für einen Verhaltenskodex". - So ein grundlegendes Positionspapier auf einer so breiten Basis gab es noch nie in der gesamten Kirchengeschichte!  Es kann auch uns helfen als Kirche, den einzelnen Gemeinden und Personen unseren Auftrag und unsere Kultur zu definieren.  Grundlage ist dabei, dass alle vielfältigen Menschen gleichwertig zu respektieren sind. - Wir bringen dabei nicht das Evangelium zu anderen Menschen - vielmehr teilen wir es mit ihnen. - Das macht einen großen Unterschied: Nicht wir wissen alles sondern erkennen es gemeinsam im Austausch mit anderen auf Augenhöhe wie durch einen Spiegel hindurch (siehe Paulus). - Das respektvolle christliche Zeugnis in einer interreligiösen Welt bedeutet ehrliches, offenes Zuhören und fairen Austausch!

Impulse:

  • Was lerne ich selber im Gespräch mit anderen die nicht so glauben wir ich?

  • Wie kann ich Gesprächs- und handlungsfähig aus meinem christlichen Auftrag heraus werden im Alltag? - Ist es nicht einfacher mit anderen über Bahnstreik oder Sportereignisse zu reden als über das, was mir der Glaube an Jesus Christus bedeutet?

  • Will und kann bzw. will ich dies (neu oder mehr) lernen in der Gemeinde und in meinen Alltag hinein?

Mich entlastet es immer wieder zu wissen: Nicht ich bringe den Glauben an Jesus zu anderen sondern Sein Heiliger Geist ist schon lange am Wirken bevor ich sie treffe. - Der Kämmerer in der Apostelgeschichte wurde schon in unterschiedlicher Weise vorbereitet bevor er auf seine Lektüre und sein Nachdenken angesprochen wird. - Dann überführt ihn Gottes Geist und er lässt sich taufen. - Auf ihn berufen sich die Kirche und viele an Christus Glaubende am Horn von Afrika bi heute nach ca. 2.000 Jahren. Wer weiß, was meine Begegnung heute für den Menschen bedeutet, welchem ich mit Gottes Liebe begegne!

Begegnung auf Augenhöhe ist dabei ein Stichwort. - Sobald ich meine genau zu wissen, was andere brauchen, geht die Augenhöhe verloren und entsteht ein Ungleichgewicht in einer Begegnung. - Dieser Kulturwechsel hinterfragt damit auch das Menschenbild/ die Anthropologie unserer Kirche. - Andere Kulturen und kulturelle Veränderungen im "eigenen Bereich" können Angst machen und herausfordern. Ein Haltungswechsel in diesem Bereich, könnte dabei ansetzten, nicht nur von sich selbst zu sprechen und keine pauschalen Annahmen über andere zu machen. - Wir sortieren Menschen ein anhand von unseren Erfahrungen und von Begegnungen mit ihnen. - In einer Zeit wieder erstarkendes Fremdenfeindlichkeit und von Rassismus bzw Antisemitismus ist es für uns ein zentraler Auftrag sich im Sinn Jesu Christi einzubringen! - Das Gespräch zu suchen...

 

Die Geschichte von Lore Graf: "Schubladen" beschreibt in amüsant er Weise unser oft praktiziertes Denk- und Einordnungssystem: "Wir machen uns ein Bild und haben Beschreibungen von anderen Menschen, Gruppen und ganzen Völkern. Wir pauschalisieren in "Die Inder sind eben alle so!" Wir sprechen dann über einen sehr unterschiedlichen und facettenreichen Subkontinent mit 1,4 Milliarden Menschen als ob es verstünden wie sie denken... - Sie und viele andere legen wir in Schubladen unseres Denkens und formen uns Bild mit Vor- urteilen welche dann leicht zu Verurteilungen werden können. - Ja, bis, wie in der Geschichte von Lore Graf auf einmal unser (Welt-)Bild von den Anderen zerbricht.


Impulsfragen:

  • (Wie) gelingt es uns möglichst vorurteilsfrei zu leben und anderen offen zu begegnen? - Sie als Bereicherung und z.B. Fremde nicht als Gefahr zu erkennen?

  • Wo merke ich bei mir, dass ich Schubladen habe mit Namen mit Bezeichnungen die Menschen einsperren in meine (Denk-)schublade? - Die dann andere verletzen (können) und bei denen Vorurteile zu Verurteilungen führen können? - "Die eben schon wieder - die sind doch immer so!" -  Kenne ich und praktiziere Begegnung auf Augenhöhe?

  • Erlebe ich sie selber und wie sieht dabei meine Kultur des Zuhörens aus? - Kann und will ich mich in andere (Kulturen) hinein denken und fühlen - wann und wie übe ich dies?

  • Wo sind bei mir Vor-/ oder Verurteile schon zerbrochen und was löste dies bei mir aus? Brauchen wir manchmal auch solche Einordnungen für unser Denken als Sicherheit und Teil unseres Weltbildes?

  • Kommt es stärker darauf an dieses Schubladendenken offen zu halten und bereit zu sein mein Bild von Menschen(-gruppen) offen zu halten für neue Einsichten und Erlebnisse?

  • Will und kann ich mir meine Vorurteile bewusst machen anderen Menschen und Kulturen gegenüber?

  • Ein Anfang kann sein Pauschalisieren (die sind doch eben alle so...) und abgeschlossene Vorstellungen zu hinterfragen.

 

Dies gilt auch für die Geschichte und Entwicklung vieler Gemeinde und unserer Kirche.

Wo Gemeindeleben geprägt war um die Frage des Selbstbehaltes und man davon aus-ging, dass Gemeinde so weitergeht mit der eigenen nachkommenden Generation wie man es selber machte kommt es oft zu grundlegenden Fragestellungen. - Die Erkenntnis, dass wir nicht mehr als vermeintliche Nachwuchskirche einfach so weiter machen können kann uns dabei helfen nachzudenken was unser Auftrag und Zeck ist. Dies kann und wird dann zu einem Kulturellen Wandel führen der von Gottes Geist gestaltet werden möchte. - Dabei werden sicher auch die Grenzen von Mission thematisiert und das eigene Missionsverständnis neu formuliert.

 

Dazu passt die schöne Geschichte von Theodore O. Wedel: "Das Gleichnis von der unnütz gewordenen Rettungsstation." - Die komplette Geschichte findet ihr hier:

Kurz zusammen gefasst:

Menschen hatten erkannt, dass an ihrer Küste viele Schiffe verunglückten und viele ertranken in den Stürmen. - So gründete man diese Station und bildete Leute aus die mit Rettungsbooten die Verunglückten bargen.  Doch nach und nach wurden diese Rettungsstationen zu gemütlichen Vereinsheimen. Sie dienten dem Selbstzweck und nicht mehr anderen Menschen. - Irgendwann merkten andere, dass vor der Küste oft Schiffe verunglückten und Viele ertranken. Sie bauten eine neue Rettungsstation und halfen vielen bis auch ihre Rettungsstation mehr und mehr zum Vereinsheim wurde. - Nach einiger Zeit wiederholte sich die Geschichte und waren dann nach etlichen Jahren eine ganze Reihe von Vereinsheimen entlang der rauen Küste.

Impulsfragen:

  • Wem oder was dient unser Kirchengebäude? - Mein eigener Lebensraum den mit Gott anvertraut hat

  • Ist es reiner Selbstzweck oder dient mein Leben und das unserer Gemeinde auch dem Leben anderer?

  • Wo und wie erreichen wir die draußen auf dem Meer - die mehr oder minder in Not geratenen?

Wie stehe ich zu folgenden Aussagen? - Habe ich sie in unserer Gemeindeschon gehört und was bedeuten sie für mich bzw. uns?

Zitate die zum Gespräch anregen wollen:

"Es war schon immer so in unserer Gemeinde! Das bleibt auch so!"

"Das hat es bei uns hier in unserer Kirche noch nie gegeben!"

"Das ist nicht mehr meine Gemeinde oder Kirche!"

"Wem gehört die Kirche, die Gemeinde und letztlich auch ich selber  eigentlich?

Dir, mir, uns, der zukünftigen Generation oder dem Herrn der Kirche Jesus Christus?

 Sind das sich ausschließende oder ineinander reichende Beschreibungen die auch Zeit   

 und Ewigkeit nur ansatzweise mit benennen können..."



Ist Kirche und Gemeinde ein erkennbar anderer Raum oder wollen wir dies gar nicht weil wir uns nicht von der Welt abheben möchten? - Wo ist unsere methodistische Connexio - unser weltweites Verbundsystem - ein Gegenmodell zur Individualisierung und Fragmentierung in unserer Welt. - Derzeit geht der Trend Richtung Individualismus, Nationalismus und einem Leben in gesellschaftlichen Blasen. - Da können wir alternativ leben und zusammen bleiben - gemeinsam lernen zu wachsen in der Liebe Jesu Christi.

Dabei leitet uns Vielfalt und Unterschiedlichkeit - sie ist erwünscht in unserem Zusammenleben. - Wir wollen füreinander einstehen in Fragen von Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. - Wir schauen als Gemeinde häufig auf uns selbst und unser (Über-)leben. - Wie können wir wieder mehr gesellschaftlich relevant werden und bewusst vom Glauben her Akzente setzen gegen Diskriminierung und Verachtung anderer Menschen. sozialer Einsamkeit und gesellschaftliche Schieflagen?

- Ist unser Ausgangspunkt dafür das Dreifachgebot der Liebe zu Gott, Anderen und uns selber? - Wollen wir als Mitlernende auch manchmal Mitleidende werden wie Jesus?

Bin ich offen für inter - kulturelle Lernerfahrungen?

Dazu kann es hilfreich sein, sich zu überlegen, welche unterschiedlichen Kulturen ich in meiner Mitwelt schon erlebe: Durch Alter, Biografie und Herkunft? Will / Kann ich den Kreis erweitern und Begegnung suchen mit Menschen, die zugezogen oder zugewandert sind oder andere Ansichten haben?

 

Verfasser:in Wolfgang Bay

Pastor Gemeinde Laichingen

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Begleitpodcast - Folge 5/6

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