Info
Haltungswechsel. 6 Wochen. 6 Aspekte.
Als EmK in Süddeutschland stecken wir mitten in einem Veränderungsprozess, der alle Ebenen der Kirche unterschiedlich stark betrifft. Die SJK hat im Rahmen dieses Prozesses viele strukturelle und organisatorische Reformen auf den Weg gebracht. Im letzten Jahr wollten wir, die Handlungsgruppe „Inhaltliche Ausrichtung“, eine Möglichkeit für Gemeinden und Einzelpersonen geben, sich innerlich auf diesen Weg der Veränderung zu machen. Dafür konzipierten wir eine Aktion für die Passionszeit unter dem Motto „Kurs:wechsel“.
Nachdem der Kurs angepasst und wichtige Entscheidungen getroffen wurden, gilt es nun, die Veränderungen in die Praxis umzusetzen. Der Arbeitstitel „Kirche in Begegnung“ bietet dafür die inhaltliche Grundlage. Wie sieht eine Kirche aus, die sich „Begegnung“ zum Ziel setzt?
Wir meinen, dass sich dahinter eine Haltungsfrage verbirgt.
Deshalb haben wir eine neue Aktion konzipiert, die einen „Haltungs:wechsel“ zum Thema hat.
Wie schaffen wir es als Kirche, eine begegnungsfreundliche Haltung zu kultivieren und Veränderung tatsächlich spürbar zu leben?
Dafür begeben wir uns auf eine Reise!
Sechs Wochenthemen sollen jeweils einen Aspekt des Haltungswechsels aufgreifen, vertiefen und spürbar machen. Mehrere Beiträge pro Woche versprechen ein buntes, vielseitiges Bild, in dem sich viele Menschen wiederfinden und herausgefordert werden. Sechs Wochen sind einerseits ein überschaubarer Zeitraum, andererseits lange genug, um erste Schritte in einer neuen Haltung zu gehen.
Wie die Aktion in den Gemeinden eingebunden wird, haben alle selbst in der Hand.
Von uns und vielen beteiligten Autor:innen wird es zu jeder Woche verschiedene Beiträge geben, die euch vor Ort inspirieren und ins Gespräch bringen sollen. Immer am Sonntag werden die Beiträge für die folgende Woche freigeschaltet. Es gibt mehrere Beiträge pro Woche, die nicht einzelnen Tagen zugeordnet sind.
Für die Pastor:innen gibt es Predigtimpulse, die die Vorbereitung eines thematisch passenden Gottesdienstes erleichtern sollen.
Die Haltung, die wir neu entdecken und einüben wollen, findet sich in der Jahreslosung 2024 ganz konkret: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ - 1. Kor 16,14
Gemeinsam wollen wir einüben, wie wir weitergehen werden.
Was verändert sich durch eine neue Haltung?
Wie üben wir eine Haltung gemeinsam ein?
Wie gehen wir im Prozess miteinander um?
Gemeinsam fragen, Gemeinsam Antworten suchen.
Gemeinsam eine neue Haltung einüben.
Wochenthemen
Jede Woche hat ein eigenes Thema, das einen eigen Aspekt des Haltungswechsels aufgreift und vertieft.
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Tapetenwechsel meint sowohl den Ort an dem Kirche ist, als auch die innere Einrichtung von Kirche.
An welchen Orten findet Kirche statt? Wie gestalten wir das in den neuen Großbezirken? Was bedeuten Umzüge für die Kirche und spiegeln die Orte der Kirche die Lebenswirklichkeiten der meisten Menschen wieder? Was bedeutet es für den Umgang mit Orten und Gebäuden, wenn wir Gemeinde als Netzwerk verstehen, statt als feste Gruppe? Ist unser Standpunkt möglicherweise mit anderen Standpunkten verknüpft oder bringt unser Standort Konsequenzen für unsere Handlungs- und Haltungsmöglichkeiten?
Bei der Einrichtung geht es sowohl um Ästhetik, als auch um eine Willkommenskultur und die Möglichkeit sich an dem Ort und in den Räumen, in denen Kirche geschieht, wohlzufühlen. Was brauchen wir dazu? Eine Wohnzimmer-Atmosphäre, etwas, das die außeralltäglichkeit des Raumes verdeutlicht? Brauchen wir Kirchen und Gemeindehäuser, oder wie und wo kann Kirche noch sein?
Welche Botschaft transportiert unsere Einrichtung? Wie sehen unsere Räume aus? Sind sie auch für andere Personengruppen einladend und Nutzbar?
Im Veränderungsprozess schaffen wir eine innere und äußere Atmosphäre, gestalten Lebensräume und beleben sie, denn Gemeinderäume sind Lebensräume. Kirche in Begegnung ist atmosphärisch anders und für viele Menschen ansprechend. Können Kirchen- und Gemeinderäume auch noch anders genutzt und mit anderen geteilt werden - zum Beispiel als Co-Working Space etc:? Können wir mit unseren Gebäuden und unserer Einrichtung dabei helfen, mit anderen win-win-Situationen zu gestalten?
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Generationswechsel meint die Erfahrung, dass in Gemeinden immer verschiedene Menschen in verschiedenen Lebensphasen zusammenkommen. Das birgt manchmal Missverständnisse oder Konflikte. Wie geben wir Menschen in den Gemeinden einander Anteil an unserem Leben und den je eigenen Erfahrungen? Wir kultivieren Storytelling, Geschichten erzählen und einen biographischen Ansatz, sodass ein Generationswechsel im Miteinander geschehen kann. Wir versuchen, einander zu verstehen und von uns selbst mit anderen zu sprechen.
Herausforderungen, denen wir uns dabei stellen müssen, sind Konflikte auszutragen, und sich einer Diskussion zu stellen. Verschiedene Erwartungen müssen selbstkritisch reflektiert werden, damit Verständigung möglich ist. „Wie ist eigentlich mein Leben?“, „Welche Maßstäbe habe ich im Hinterkopf?“ – das offen zu kommunizieren hilft dabei sich besser zu verstehen und gemeinsam Kompromisse zu finden. Die verschiedenen Altersstrukturen in Gemeinden bieten dazu eine hervorragende und wertvolle Chance. Denn alle Menschen werden gebraucht und wollen gehört werden.
Wie gehen wir mit der Vergangenheit und den Erinnerungen in Gemeinde um? Finden wir eine Haltung, die die Vergangenheit würdigt, sie nicht schlecht macht, und sie doch nicht zum Maßstab der Zukunft macht? Finden wir eine Haltung, die keine Energie für „hätte, wäre, wenn“ verschwendet, sondern Lehren aus dem Versäumten zieht und sie positiv und vergebungsbereit umsetzt? Gemeinde kann ein Ort sein oder werden, der Generationenverständigung ermöglicht und an dem sich die Generationen begegnen.
Gleichzeitig ist es nötig für einen Haltungswechsel in diesem Bereich das Bild von „Gemeinde als Familie“ zu problematisieren und zu reflektieren. Ist es hilfreich, dass eine Gemeinde als Familie erlebt wird? Was bedeutet das für die Zugehörigkeit, für Konflikt- und Krisenmanagement, für Machtstrukturen? Wirkt eine Familie für außenstehende abgeschlossen und exklusiv?
Die Herausforderung in den Generationen liegt nicht nur im Lebensalter der Personen (Kinder/Jugendliche Erwachsene/ Großeltern), sondern auch in der Zugehörigkeit zu verschiedenen Generationen (BabyBoomer, Millennials, Generation x,y,z…). Was sind also Unterschied in der Prägung und den Meinungen, Herangehensweisen etc. in Gemeinden? Haltungswechsel können eingeübt werden, z.B. durch Einander zuhören kultivieren und neu lernen, Briefe schreiben, Gewaltfreie Kommunikation…
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Gezeitenwechsel meint den Umgang mit und das Erleben von Schattenseiten des Lebens, Krisen und Herausforderungen. Wie gehen wir mit dem um, was fehlt oder über einem zusammenbricht? Was heißt das für unsere Prioritäten und den Umgang miteinander? In Zeiten der Krise oder des Auf und Abs kommt ist folgende Frage hilfreich: Wo ist der Platz des Menschen? Wo verorten wir uns in der Welt, der Natur, der Gesellschaft. Was sind die Aufgaben von Kirche in schwierigen Zeiten? Ein Haltungswechsel im Wechsel der Gezeiten im Leben kann bedeuten: Berührbar sein, menschlich sein. Das Berührbarsein ist manchmal auch so schwer. Wovon lasse ich mich berühren? Wovor verschließe ich mich? Warum kommt kein großer Aufschrei – und wie kann man diese Ambiguität im eigenen Leben aushalten lernen? Wo kommt Gott in den Gezeiten vor? Was lässt man an sich ran und was kann man nicht an sich heranlassen?
Ein Haltungswechsel wird auch gegen die Gelichgültigkeit ankämpfen. Gleichgültigkeit kann als die Herausforderung im Leben angesehen werden, denn in der Gleichgültigkeit trennt sich ein Mensch selbst von anderen und von Gott ab. Was sind andere Möglichkeiten, der Machtlosigkeit zu begegnen? Kirche in Begegnung schlägt dazu vor: Sich anderen Mitteilen, nicht allein damit bleiben. Nicht bloß schimpfen, sondern versuchen Gutes zu finden. Vielleicht hilft auch die Frage: Was ist hilfreich? (statt: was ist richtig). Wo haben wir als Menschen und als Gemeinden doch Handlungsmöglichkeiten und sozialdiakonische Aufträge?
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Bei Perspektivwechsel geht es um unserem Umgang mit Wahrheit und Wahrheitsanspruch. Können wir uns auf eine relative bzw. relationale Wahrheit einlassen oder muss es eine absolute Wahrheit geben? Welche Rolle spielt unser jeweiliger Wahrheitsanspruch für Begegnung? Was bedeuten „relativ“ und „absolut“ wenn man den Begriffen auf den Grund geht?
Ist eine Gemeinde oder ein:e Christ:in dafür zuständig Antworten zu liefern? Wo erleben wir das Dazwischen, die Ambivalenz, die Ambiguität des Lebens und wie gehen wir damit um? Wäre es hilfreich manch einen Rahmen zu sprengen, um in die Weite zu finden und wie könnte das konkret aussehen? Ein Haltungswechsel kann das Image von Fragen und Zweifeln aufwerten, denn diese halten uns in Bewegung und machen aus uns ein lebendiges Gegenüber. In Kirche in Begegnung können wir mutig sein und eine Zumutung sein. In einer Begegnung entsteht und zeigt sich Wahrhaftigkeit.
Was haben meine eigenen Ansprüche und Bedürfnisse mit meiner Haltung zur „Wahrheit“ zu tun? Können wir andere Meinungen und Perspektiven aushalten. Kann sich meine Meinung verändern lassen? Wo und wo nicht?
Was macht Wahrheit mit Macht und Toleranz? Wofür brauchen wir die Sicherheit der Wahrheit? Kann das weg? Welche Werte sind uns kompromisslos wichtig? (Vorschlag: Liebe!) Und warum?
In einer Begegnung muss etwas offenbleiben. Wie gehen wir damit um? Was brauchen wir für die Offenheit?
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Kulturwechsel bezieht sich auf interkulturelle und interreligiöse Begegnungen. Dazu thematisiert er auch die Grenzen von Mission und lädt ein, das eigene Missionsverständnis zu reflektieren.
Alle Menschen sind vielfältig und gleichwertig. Was man mitbringt, bringt man mit. Ich darf als Person so sein, wie ich bin. Diese Authentizität ist wichtig für Begegnung. Welche Konsequenzen hat dann ein Missionsverständnis, das einen Mangel annimmt bei den Menschen, die keine Christ:innen sind? Ein Haltungswechsel in diesem Bereich, könnte dabei ansetzten, nur von sich selbst zu sprechen und keine Annahmen über andere zu machen. Denn sobald ich besser weiß, was der andere braucht, geht die Augenhöhe (und damit die Begegnung) verloren.
Kulturwechsel hinterfragt damit auch das Menschenbild/ die Anthropologie der Kirche. Warum sagt „die Kirche“ bzw. Menschen als ihr Sprachrohr so viel zu Menschen? Warum entschuldigt sie mit einem Jenseitsversprechen Passivität und Mangel an Allyschaft in der Gesellschaft? Welche Teile des Evangeliums kann sich eine überwiegend privilegierte und weiße Kirche nicht zu eigen machen, ohne sich damit als rassistisch und diskriminierend zu entlarven? Es muss also erfolgen, dass Mission rassismuskritisch und diskriminierungssensibel in den Blick genommen wird und sich entsprechend verändert. Welche Rolle spielt Liebe bei alldem? Welche Konsequenzen zieht sie nach sich? Wo müssen sich Christ:innen doch als Fürsprecher:innen einsetzten?
Was bedeutet die Erfahrung, dass wir als Menschen alle bedürftig sind? Wir dieser Erfahrung mit Mission begegnet? Oder ist Glaube oder Nicht-Glaube ist keine Errungenschaft, die auch bei anderen die Bedürftigkeit stillt? Gibt es überhaupt eine übereinstimmung in der menschlichen Bedürftigkeit? Sind wir Menschen alle ähnlich bedürftig nach Liebe? Oder ist das eben die westliche Sicht, die die Grundbedürfnisse als gestillt voraussetzt?
Für einen Solchen Kulturwechsel ist ein Haltungswechsel zu Empathie, einander Zuhören und Raum geben Voraussetzung. Dies alles ereignet sich in Begegnung.
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Im Spurwechsel finden alle Überlegungen und Erkenntnisse der 40-Tage-Aktion zusammen und es wird überlegt, wie diese in Kirche und Gemeinde und im Alltag konkret umgesetzt werden können. Wir wollen Begegnung schaffen, wo Rollen nicht mehr so relevant sind. Wie begegnet man sich auf Augenhöhe oder ebenmäßig? Wie können wir Zweckfreie Begegnung mit Leben füllen? Was sind die grenzen und die Chancen von zweckfreien Begegnungen? Was brauchen wir um aus unserem Eingespurten auszubrechen, neue Gebiete zu erkunden, neue Wege zu gehen? Wie stelle ich mir Leben vor? Wie Liebe? Welche Haltung haben wir im Leben und im Lieben? Wie wird sie von Gott „inspiriert“ und wie können wir daher anderen begegnen? Z.B. Zugewandt, offen, freigiebig, gnädig…was heißt das konkret, wie können wir das für uns begründen?
Im Spurwechsel beginnen wir zu üben, uns umzuschauen, was sonst noch um uns herum da ist, wo wir vielleicht neu hinwollen. Wir lernen Zuhören, wir lernen, Gegenüber zu verstehen und wahr zu nehmen. In Begegnung wir Wertschätzung kultiviert, ebenso in allen Bereichen der Gemeinde und Kirche.
Wir suchen Resonanz, schaffen dafür Raum und lassen die Möglichkeit dazu offen.
Veröffentlichung
Uns ist klar, dass eine rein digitale Plattform auch Schwierigkeiten mit sich bringen kann. Wir bitten darum, vor Ort Lösungen für die Durchführung der 40 Tage Aktion zu finden. Medienkompetente Personen gibt es in (fast) allen Gemeinden oder über ein paar Ecken im persönlichen Kontakt.
Wir hoffen, dass interessierte Menschen ohne Internetzugang die Aktion zum Anlass nehmen, gemeinsam mit anderen dabei zu sein. Wir freuen uns, gemeinsam mit vielen Gemeinden neue Wege zu entdecken und den Kurswechsel unserer Kirche zu gestalten!
Die Handlungsgruppe „Inhalt“
Moritz Mosebach, Janina Schmückle, Almuth Zipf, Damaris Hecker, Stephan von Twardowski, Casjen Ennen, Reinhard Wick, Esther Dreisbach und Samuel Lacher.