Wie muss Kirche aussehen?

von Lukas Springer

Ich staunte nicht schlecht, als ich vor einiger Zeit eine moderne pfingstcharismatische Freikirche besuchte, die früher einmal eine EmK gewesen ist. Ich konnte mich noch erinnern, wie ich als Kind dort gewesen bin: Eine „klassische“ Kirche eben mit Empore, Kanzel, Altar und Kreuz. Jetzt ist sie von außen und von innen komplett verändert: schwarze Fassade, schwarzer Gottesdienstraum, Scheinwerfer, großes Mischpult und … kein Kreuz! Dabei weiß ich, dass die meisten meiner Altersgenossen – sofern sie mit organisierter Religion überhaupt noch etwas anfangen können – genau in solche Gemeinden pilgern, die nach außen eher einem Club ähneln. Und wer kann es ihnen verdenken?

Das andere „Extrem“ sind in unserem Land die großen, altehrwürdigen Kirchen. Auch denen kann ich viel abgewinnen. Man spürt dort die Außeralltäglichkeit des Raumes, oft sind sie voller Kunst und Kulturschätze, Geschichte und Geschichten. Für die meisten sind sie heute aber weltfremd und von vorgestern. Und auch ich fühle mich darin auf Dauer eher verloren als aufgehoben.

Und die EmK? „Die EmK ist einfach meine ‚Wohnzimmer-Kirche‘“, so habe ich es mal von jemandem gehört. Dabei muss ich manchmal an die Redewendung „Fühl dich wie zuhause, aber benimm dich nicht so“ denken: Gottesdienst mit Kaffee in der Hand, barfüßig oder mit Socken, jemand ruft einen Witz rein und alle lachen, die Band verspielt sich mehrmals, der Gottesdienst zieht sich aufgrund der „Zeit der Gemeinschaft“ mal wieder nach hinten, der Ablauf kommt durcheinander und so weiter und so fort. Trotzdem muss ich lächeln, wenn ich daran denke. Und ist die „Wohnzimmer-Kirche“ bzw. die „Kirche mit Küche“, ein multifunktionales Gebäude mit Bad, Dusche, Jugendraum und mobilen Trennwänden für verschiedenste Anlässe nicht auch „typisch“ EmK?

Aber was davon ist denn jetzt richtig? In der Frage „wie muss Kirche aussehen?“ liegt eine Doppeldeutigkeit: Geht es um die Form bzw. das Äußere oder geht es um den Inhalt bzw. die Botschaft?

„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“ – in der Jahreslosung von 2024 liegt eine große Freiheit. Vieles kann und darf sich ändern und variieren, solange es in der Liebe geschieht, die in Jesus wurzelt. Das gilt sowohl für die Form als auch für den Inhalt. „Aber ‚alles‘ kann doch nicht erlaubt sein!“, höre ich manche sagen und während die einen dabei an die Form denken (Gebäude, Sprache, Liturgie, usw.), denken die anderen an den Inhalt (Theologie, Verkündigung usw.).

Bei all den sich ändernden Formen und Äußerlichkeiten bleiben für mich zwei Dinge wichtig, die ich in der EmK eher wahrnehme als in anderen Kirchen:

 

1. Während, vor allem im Netz, gerade ein Kulturkampf um die richtige Ausrichtung von Kirche tobt, nehme ich Begriffe wie „fromm“, „charismatisch“, „liberal“, „konservativ“ und „politisch“ überhaupt nicht als widersprüchlich wahr. Würde man bei uns Kameras installieren, man würde sehen, wie innerhalb einer Woche im Bibelgespräch ein Text ausgelegt wird, die Lobpreis-Band für den nächsten Gottesdienst probt, der Gebetskreis für die Stadt betet und die Gruppe „Christians4Future“ über die sozial-ökologische Transformation und Klima-Aktivismus diskutiert. All das passiert im selben Gebäude, unter demselben Kreuz.

 

2. „Bei uns sind alle willkommen“ schreiben sich vor allem Freikirchen gerne auf die Fahnen. Die stylischen Instagram-Fotos mit gutaussehenden Menschen, Kaffeebar und Schildern wie „Fühl dich wie zuhause“ lassen daran scheinbar keinen Zweifel. Bestimmte Menschengruppen machen am Ende aber doch die Erfahrung, dass die Annahme für sie dort an Bedingungen geknüpft ist. Ist dort noch willkommen, wer inhaltlich, äußerlich oder aufgrund der eigenen Identität aus dem Raster fällt? In der EmK dagegen nehme ich etwas von der Annahme wahr, die Jesus vorgelebt und Paulus im Römerbrief beschrieben hat.

 

Okay, ich will nichts verklären. Nirgends ist alles schlecht und auch bei uns ist längst nicht alles perfekt. Aber wo ist es das schon? Die EmK kommt für mich dem schon ziemlich nahe: Perfekt unperfekt eben – und so muss Kirche für mich aussehen.

Die Freiheit, von der weiter oben die Rede ist, habe ich versucht, durch KI-generierte Bilder auszudrücken. Ein Foto des Gottesdienstraums dient als Grundlage und wurde mit verschiedenen prompts (Anweisungen) erweitert und ergänzt. Ganz verschiedene Situationen lassen sich so erträumen. Was gefällt dir am besten? Welche Kirche würdest du dir erträumen?

 

Verfasser:in Lukas Springer

Wohnt in Bruchsal bei Karlsruhe, dort gehört er zum EmK-Bezirk Bruchsal/Kraichtal. Studiert hat er Kommunikationsdesign an der Hochschule Pforzheim und arbeitet als Grafikdesigner in einem Unternehmen in Bad Schönborn. Gemeinsam mit einem befreundeten Theologen betreibt er den Instagram-Kanal „@glaube_liebe_pizza“.

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